Ein bisschen Empirie aus den Bundesländern

Es gibt ja noch Bundesländer, die einigermaßen kontinuierlich über die länderspezifischen Erfahrungen mit Bildungsurlaub/Bildungsfreistellung berichten. So haben Niedersachen und Rheinland-Pfalz 2015 erneut Berichte vorgelegt, die durchaus von allgemeinem Interesse sind.

Der „Elfte Bericht“ aus Rheinland-Pfalz (über die Daten 2013/2014) zeigt (mit 845 Institutionen) eine stabile Anbieter-Landschaft. Veranstaltungen der gesellschaftspolitischen Bildung machen 16 % der Anerkennungen aus, 84 % dienen der beruflichen Weiterbildung, 2% der Verbindung beider Bereiche. Die Quote der Inanspruchnahme beträgt (wie im Berichtszeitraum davor) 2 %, bei den Auszubildenden, deren Recht 2013 eingeführt wurde, 1,2 %. In der beruflichen Bildung gibt es einen Trend zu längeren Veranstaltungen, 42 % aller Veranstaltungen dauern länger als fünf Tage. Und bemerkenswerterweise haben Intervallveranstaltungen mit 30 % einen immer größeren Stellenwert erlangt. Arbeitnehmer unter 40 Jahren werden überdurchschnittlich gut erreicht, Frauen eher unterdurchschnittlich. Top-Themenbereiche der beruflichen Bildung sind Fremdsprachen und Kaufmännisches, in der politischen Bildung „Gesellschaft“ und „Deutschland“.

Aus Niedersachsen wird über die vier Jahre 2009-2013 berichtet: Der Anteil beruflicher Weiterbildung – lange Jahre bei ca. 50% – lag 2013 bei 58 %, die politische Bildung zeigte sich mit Anteilen zwischen 17 und 20 % stabil. 52 % der Teilnehmenden haben an Angeboten der anerkannten niedersächsischen Weiterbildungseinrichtungen teilgenommen. Die Inanspruchnahme des Rechts auf Freistellung konnte leicht gesteigert werden – von 1,25 auf 1,48 %; andere Berechnungsweisen, unter Berücksichtigung der betrieblichen Grenzen und der real beanspruchten Tage, kommen auf eine Quote um 3 %. Teilnehmende aus dem Öffentlichen Dienst sind deutlich rarer geworden, Kleinbetriebe konnte besser erreicht werden.

 

Argumente für den Bildungsurlaub

robak-BU-coverAuf die verdienstvolle Bremer Studie zu den Entwicklungschancen des Bildungsurlaubs und die daraus folgenden bildungspolitischen Empfehlungen wurde hier schon einmal hingewiesen (im Juni 2014). Inzwischen ist für die, die es genauer wissen wollen, auch die Gesamtstudie greifbar:

Steffi Robak/Horst Rippien/Lena Heidemann/Claudia Pohlmann (Hrsg.):

Bildungsurlaub – Planung, Programm und Partizipation. Eine Studie in Perspektivverschränkung – Frankfurt/Main 2015, Peter Lang-Verlag, 437 Seiten

Basis dieser mehrdimensionalen Studie sind Experteninterviews, statistische Analyse, Programmanalysen, Gruppendiskussionen und Teilnehmenden-Interviews. Neben den empirischen Befunden, von denen einige auch spezifisch für den kleinen Stadtstaat sein mögen, gibt es eine Reihe von Hinweisen und Argumenten, die für die allgemeine Debatte um Bildungsfreistellung relevant sein könnten – zum Beispiel:

  • Bildungsurlaub senkt die soziale Selektivität des Weiterbildungszugangs erkennbar ab: An solchen Seminaren partizipieren mehr Ältere, mehr Arbeiter und Angestellte, mehr Arbeitnehmer mit niedrigen Bildungsabschlüssen und aus der Industrie als an anderen Angeboten.
  • Biografisch bedeutsame Suchbewegungen im Übergang zwischen Politischem, Beruflichem und Privatem bleiben in diesem Format möglich und sind gesellschaftspolitisch erwünscht.
  • In den Bildungsurlauben der beruflichen Weiterbildung (mit einem starken Anteil von 39%) geht der Trend zur stärkeren Spezialisierung.
  • Die Informationslage zum Bildungsurlaub ist auch bei den Betriebsräten recht schlecht, so dass sie ihrer möglichen „Türöffner“-Funktion für eine Inanspruchnahme dieses Rechts mehrheitlich kaum gerecht werden.
  • Die Nutzer/innen surfen souverän zwischen den professionellen Anbietern – zwischen diesen haben sich offenbar Verweis- und Kooperationsstrukturen entwickelt haben, die ein trägerungebundenes Weiterlernen und „Anschlusslernen“ ermöglichen.